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Sofi hob den Arm. „Halt! Genau da! Dreh dich zur Straße.“
Sie warf einen letzten Kontrollblick auf das Foto und war zufrieden. Sie stieß sich von der Wand der Bibliothek ab und marschierte in Feldvermesserschritten zur Eingangstür. Heute am Feiertag hatte die Bibliothek geschlossen, deshalb musste sie hier starten. Sie drückte die Stoppuhr und ging los, allerdings ganz und gar unsicher, wie schnell sie auf der breiten Treppe hinab zum Gehsteig laufen sollte. Sie entschied sich für ein mittleres Tempo. Auf dem Sveavägen angekommen warf sie einen Blick hinauf zur Terrasse. Kjell war von hier unten nicht zu sehen. Sie wandte sich nach links und lief zwanzig Meter weit bis zur Kreuzung. Im 7-Eleven waren die Verhältnisse ideal. Wie an jenem Abend gab es eine Schlange von acht Menschen vor der Kasse.
Als Sofi drei Minuten später mit einem Kaffee in der Hand vor die Tür trat, blieb sie stehen, um die verbleibenden anderthalb Minuten bis zum Unfall zu überbrücken. Das war die Zeitspanne, wo Fabia der betrunkenen Lovisa geholfen hatte. Kurz vor dem Zeitpunkt des Unfalls näherte sich Sofi der Bordsteinkante und hielt die Stoppuhr an.
Bei ihrer Rückkehr auf die Terrasse hatte Kjell sich nicht von der Stelle gerührt.
„Begreifst du?“, fragte sie.
Er nickte gedankenversunken. „Du hättest mir auch einen Kaffee mitbringen können.“
„Dann wäre es nicht authentisch gewesen!“
Das letzte Foto aus der Reihe der Aufnahmen der Pressefotografin war sechs Minuten vor dem Unfall entstanden. Sofi hatte sich die Bilder im Büro noch einmal vorgenommen und sich gefragt, warum Maero dort so allein gestanden und dazu immer hinab zur Straße geblickt hatte.
Kjell strich sich die Haare aus dem Gesicht. „Du hast recht. Es gab an jenem Abend kein Treffen zwischen den beiden. Fabia hat Maero überhaupt nicht gesehen.“
„Aber er sie! Er hat sie verfolgt, und er selbst hat dem Fahrer das Signal gegeben. Und ich weiß auch, warum er selbst hier stand und kein anderer.“
Kjell nickte. Nur Maero wusste, wie Fabia aussah und was sie an jenem Tag trug. Er musste es selbst erledigen, um kein Risiko einzugehen. Und wenn er sich als Botschafter hierherwagte, dann war der Erfolg des Attentats von höchster Bedeutung gewesen.
„Fabia hatte den Schlüssel längst!“, sagte Sofi und lächelte in die Sonne.
„Was suchte sie also in der Bibliothek?“
„Den Schlüssel jedenfalls nicht. Den kann sie nicht erst am Samstagabend bekommen haben und auch nicht bei ihrem Besuch in der Botschaft, denn auf der Kameraaufzeichnung sehen wir, wie sie das Schließfach bereits am Donnerstag öffnet und wieder schließt. Also stimmt unsere Annahme von neulich nicht.“
„Aber was tat sie dann hier?“
„Es gibt es noch einen weiteren Faktor. Es muss um die Bibliothek gehen.“
„Du wartest hier. Ich besorge dir ein paar Techniker und den Schlüssel zur Bibliothek. Und dann suchst du von oben nach unten.“